Ich
bin für Glyphosat. Ich bin für die massenhafte und flächendeckende Bestäubung
der Felder mit chemikalischen Mitteln, für die hemmungslose Ausbeutung der
Natur zum Zwecke preiswerter Lebensmittel, ich bin für das Bienensterben, die
Ausrottung der Schmetterlinge und die komplette Vernichtung des Feldhamsters.
Ich
bin für Glyphosat. So. Vielleicht regt das wenigstens noch einen auf.
Denn
gegen Glyphosat sind ja alle, oder zumindest so viele, dass einige darunter
sind, mit denen ich ums Verrecken nicht einer Meinung sein kann. Die
Umweltverbände, die Grünen, die Linken, die Roten und sogar die Schwarzen (bis
auf einen), die Bio-Bauern sowieso, die Naturheilkundler und Heilpraktiker, die
Yoga-Lehrerinnen und Paar-Therapeuten, die Oberstufenlehrer und die
Soziologiestudentinnen, die Journalisten und die Blogger, die freie
Theatergruppe und der Schülerrat, PETA statt Feta.
Oh,
diese Entrüsteten! Und am Samstagvormittag fährt die Anwaltsgattin mit dem
Cayenne zum Hofladen und mäkelt am Gemüse herum. Und der pensionierte
Oberstudienrat schwenkt noch einmal den kostspieligen Rotwein im Kristallglas vor
der ausladenden Bücherwand und findet die Gesamtsituation bedenklich. Ach, böses
Glyphosat! Selbst der Filial-Bäcker im Supermarkt bewirbt mit einem riesigen
„Kein Glyphosat“-Schild seine Backwaren. Und wir selbst gehören natürlich auch
dazu. Wir haben doch alle jahrelang komplett verdrängt, dass wir Glyphosat verdanken,
dass unser Gemüse so schön billig ist.
Ich
höre sie lachen in den Konzernzentralen der Hersteller der anderen rund 250
zugelassenen Wirkstoffe für das Naturvernichten, deren Mittel teurer und
weniger erforscht sind: „Hey, da kriegt Monsanto ja so richtig was auf die
Mütze! Wo ist der Sekt?“ Stößchen.
Wenn
alle diese Bescheidwisser nicht gegen ein einzelnes Pestizid, sondern gegen die
allgemeine chemische Verseuchung der Landwirtschaft und für einen nachhaltigen
Wandel unserer Einkaufs- und Essgewohnheiten auf die Straße gehen, wenn sie
tatsächlich ihr Gemüse nicht mehr im Discounter sondern im kleinen Bioladen, so
es ihn noch gibt, kaufen, wenn sie sich kümmern um das, was in ihrem Essen ist,
woher es kommt und wie es zubereitet wird, wenn sie kapieren, wie
Lebensmittelpreise zustande kommen und warum Fleisch und Gemüse allerorten so
saubillig zu haben ist.
Dann
werde ich gegen Glyphosat sein.
Frei
nach: Heinz Rudolf Kunze „Ich bin gegen den Frieden“ (Sprechtext 1984).
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