Dienstag, 24. Januar 2017

Die Vegetarier-Blase

Dass man heutzutage noch Fleisch isst (und sei es auch nur Bio-Fleisch), dafür muss man sich eigentlich andauernd erklären, wenn nicht sogar entschuldigen. Vegetarische Ernährung scheint in aufgeklärten Kreisen fast ein Muss, vegane Ernährung mindestens ein nachhaltiger Trend. Die Fleischesser sind die aussterbende Rasse.
In Umfragen geben regelmäßig rund 10 bis 15 % der Befragten an, sich vegetarisch zu ernähren. Gefühlt sind es noch viel mehr.
Umfragen allerdings basieren nur auf den Antworten der Befragten, also ihrer eigenen Selbsteinschätzung. Eine Überprüfung findet nicht statt.
Das staatliche Max-Rubner-Institut in Karlsruhe untersucht seit Jahren die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen. Nicht mit Umfragen, sondern aufwändig mit detaillierten Ess-Protokollen. In der Nationalen Verzehrstudie wird mit sogenannten 24h-Recalls detailliert erfasst, was die rund 1.800 Studienteilnehmer in den letzten 24 Stunden gegessen und getrunken haben.
Demnach hatte sich im Jahr 2014 (Neuere Untersuchungen des MRI sind mir nicht bekannt) die Zahl der Vegetarier im Vergleich zur Nationalen Verzehrsstudie II (2005-2007) „auf fast zwei Prozent“ nahezu verdoppelt.
Das ist eine durchaus gute Nachricht, wenn man bedenkt, dass wir alle nachweislich zu viel Fleisch essen, und damit u. a. das Klima schädigen und den Wasserverbrauch in Erzeugerländern massiv strapazieren.
Aber: Zwei Prozent? Nicht zehn bis fünfzehn? Das ist offenbar die Realität, wenn man mal genauer nachprüft. Danach dürfte die Zahl der tatsächlichen Veganer wohl an der Nachweisgrenze liegen.
Wie schick ist es aber, einen Lebensstil zu propagieren, den nur zwei Prozent der Bevölkerung konsequent verfolgt? 15 Prozent klingt da schon viel besser. Das klingt nach den schlaueren 15 Prozent. Und es werden ja auch immer mehr. Also eigentlich die Mehrheit von morgen.
Zwei Prozent dagegen klingt nach kleiner, radikaler, verpeilter Minderheit. Zwei Prozent sind ungefähr so sexy wie die Wahlergebnisse der F.D.P. in Brandenburg.
So entsteht aus Wunschdenken (Umfrage-) Wirklichkeit. Die nicht wirklich ehrliche Selbstbeschreibung bestätigt nur die Relevanz des eigenen Wunsches. Selbstreferenzierung. So entstehen Blasen.
Es wäre vermutlich viel hilfreicher, wenn sehr viele (!) Menschen einfach nur etwas weniger Fleisch essen würden. Und darauf gucken, wo es herkommt. Zum Beispiel aus artgerechter Tierhaltung von Bioland-Betrieben. Und ein paar Euro mehr dafür bezahlen. Dafür gibt es aber keine griffige Bezeichnung außer „Flexitarier“. Auch nicht besonders sexy. Da hat der durchtrainierte Vegan-Hipster auf der Party natürlich sofort gewonnen.
Völlig ungeklärt ist im Übrigen noch die Frage, ob nicht vielleicht die Gummibärchen den Vegetariern die Statistik versaut haben. Denn Gummibärchen enthalten Gelantine, ein tierisches Produkt.
Wenn viele das nicht wussten, dann gibt es doch zehn Prozent Vegetarier. Abzüglich der Gummibärchen.




Es bleibt schwierig.

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