Dass man heutzutage noch
Fleisch isst (und sei es auch nur Bio-Fleisch), dafür muss man sich eigentlich
andauernd erklären, wenn nicht sogar entschuldigen. Vegetarische Ernährung
scheint in aufgeklärten Kreisen fast ein Muss, vegane Ernährung mindestens ein
nachhaltiger Trend. Die Fleischesser sind die aussterbende Rasse.
In Umfragen geben regelmäßig
rund 10 bis 15 % der Befragten an, sich vegetarisch zu ernähren. Gefühlt sind
es noch viel mehr.
Umfragen allerdings basieren
nur auf den Antworten der Befragten, also ihrer eigenen Selbsteinschätzung.
Eine Überprüfung findet nicht statt.
Das staatliche Max-Rubner-Institut
in Karlsruhe untersucht seit Jahren die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen.
Nicht mit Umfragen, sondern aufwändig mit detaillierten Ess-Protokollen. In der
Nationalen Verzehrstudie wird mit sogenannten 24h-Recalls detailliert erfasst,
was die rund 1.800 Studienteilnehmer in den letzten 24 Stunden gegessen und
getrunken haben.
Demnach hatte sich im Jahr 2014
(Neuere Untersuchungen des MRI sind mir nicht bekannt) die Zahl der Vegetarier
im Vergleich zur Nationalen Verzehrsstudie II (2005-2007) „auf fast zwei
Prozent“ nahezu verdoppelt.
Das ist eine durchaus gute
Nachricht, wenn man bedenkt, dass wir alle nachweislich zu viel Fleisch essen,
und damit u. a. das Klima schädigen und den Wasserverbrauch in Erzeugerländern massiv
strapazieren.
Aber: Zwei Prozent? Nicht zehn
bis fünfzehn? Das ist offenbar die Realität, wenn man mal genauer nachprüft. Danach
dürfte die Zahl der tatsächlichen Veganer wohl an der Nachweisgrenze liegen.
Wie schick ist es aber, einen
Lebensstil zu propagieren, den nur zwei Prozent der Bevölkerung konsequent
verfolgt? 15 Prozent klingt da schon viel besser. Das klingt nach den
schlaueren 15 Prozent. Und es werden ja auch immer mehr. Also eigentlich die
Mehrheit von morgen.
Zwei Prozent dagegen klingt
nach kleiner, radikaler, verpeilter Minderheit. Zwei Prozent sind ungefähr so
sexy wie die Wahlergebnisse der F.D.P. in Brandenburg.
So entsteht aus Wunschdenken
(Umfrage-) Wirklichkeit. Die nicht wirklich ehrliche Selbstbeschreibung
bestätigt nur die Relevanz des eigenen Wunsches. Selbstreferenzierung. So
entstehen Blasen.
Es wäre vermutlich viel hilfreicher,
wenn sehr viele (!) Menschen einfach nur etwas weniger Fleisch essen würden.
Und darauf gucken, wo es herkommt. Zum Beispiel aus artgerechter Tierhaltung
von Bioland-Betrieben. Und ein paar Euro mehr dafür bezahlen. Dafür gibt es
aber keine griffige Bezeichnung außer „Flexitarier“. Auch nicht besonders sexy.
Da hat der durchtrainierte Vegan-Hipster auf der Party natürlich sofort
gewonnen.
Völlig ungeklärt ist im Übrigen
noch die Frage, ob nicht vielleicht die Gummibärchen den Vegetariern die
Statistik versaut haben. Denn Gummibärchen enthalten Gelantine, ein tierisches
Produkt.
Wenn viele das nicht wussten,
dann gibt es doch zehn Prozent Vegetarier. Abzüglich der Gummibärchen.
Es bleibt schwierig.
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