Montag, 2. Januar 2017

Berufsziel Fernsehkoch

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete Ende Dezember über die Mängel in der Ausbildung von Nachwuchskräften in der Gastronomie. Nirgendwo ist die Abbrecherquote höher. Was auch, so der Bericht, daran liegt, dass in vielen Betrieben u.a. die Arbeitszeit-Vorschriften nicht eingehalten werden und oft zudem - besonders in der Küche - ein menschenverachtender Umgangston herrscht. Die Ausbeutung von Mitarbeitern und Auszubildenden ist gang und gäbe. Ergebnis: Jeder zweite Koch-Azubi wirft vorzeitig das Handtuch. Sogar (oder gerade?) in angesagten Metropolen-Restaurants und Sterne-Tempeln herrschen unsägliche Sitten.
„Dass Geschrei und Herabwürdigung in der Branche normal sind – dieser Ruf kommt nicht von ungefähr“, wird Christian Rach in der SZ zitiert. Wie zum Beweis stellt Zwei-Sterne-Koch Tim Raue ganz lapidar fest: "Als Küchenchef war ich zwischen 23 und 30 Jahren ein Arschloch. Ich bin durch die Küche getobt, jähzornig und cholerisch." (F.A.S. v. 1.1.17, S. 36). Kein Wort des Bedauerns. Nur: "Es hat länger gedauert, bis ich wusste, dass ich gut bin, dass ich das" - Achtung! - "nicht mehr brauche."
Das rauhe Klima in der Gastronomie ist aber auch noch einem anderen Umstand geschuldet. So schließt der SZ-Artikel mit dem Zitat zweier Kölner Gastronomen: „Wenn irgendwo ein Drei-Gänge-Menü für zehn Euro angeboten wird, dann sollte man sich darüber im Klaren sein, dass solche Preise nicht seriös zustande kommen können.“ Wie wahr.

Zugleich ist es völlig bizarr, wenn angehende Auszubildende allen Ernstes als Berufsziel „Fernsehkoch“ nennen. Als würde es das als Ausbildungsberuf bei RTL2 geben. Das ist in etwa so realitätsnah wie die Annahme, man könnte beim Standesamt anstelle einer Eheschließung offiziell den Beziehungsstatus „Frauentausch“ beantragen.
Dass die Stars aus der Glotze (meistens) zuvor eine vermutlich eher unbequeme und finanziell wenig lukrative Karriere hingelegt haben (und viele hochbegabte Köche übrigens dieses Dasein dem Mediengeglitzer weiterhin aus Überzeugung vorziehen), all das findet nur schwer seinen Weg in die Köpfe von jungen Menschen, die vor der Berufswahl stehen.
Einig sind sich aber die Fernsehköche mit ihren Kollegen „aus der Realität“ (SZ), dass ihr Beruf einer der schönsten überhaupt ist. „Er verbindet Kreativität, Genussfreude und Handwerk.“ Das lässt hoffen.

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